Gigo Propaganda | Mural-Künstler aus Essen | siehe auch: http://www.facebook.com/gigopropaganda oder http://gigopropaganda.com/.
Weiterführende Infos zur Portraitserie ‚Ruhrgebiet Jetzt‘ siehe www.portrait.works.
#Momentaufnahme: GUTN TACH | Alten-Essen | April 2013
„Hallo liebe Leute. Hier entsteht nun ein Porträääää der Aussage an s/mich.“
Ich treffe Gigo an einem Freitagvormittag im April 2013. Er ist – zusammen mit einem befreundeten Kameramann und einem Praktikanten – auf dem Weg zu seinem neusten Projekt: es geht um die Fassadengestaltung eines alten, herunter- gekommenen Hauses in Alten-Essen. Es ist in gewisser Weise ein ‚Problemhaus‘; hatte es (bzw. Gigos Eingreifen) doch schon zuvor für einiges an Aufruhr gesorgt. Grund dafür war der Schriftzug „TOTENHAUS“, welcher in großen roten Lettern auf der Fassade prangerte. Wie es zu diesem Schriftzug kam? „Das ist die Eigenaussage des einzig verbliebenen Anwohners dieses Hauses“, so Gigo. „Die Leute ziehen aus dieser Gegend weg; sie mutiert ein wenig zum Problembezirk. Häuser werden verlassen und verkommen letztlich.“ Heute wird der Schriftzug übermalt: „GUTN TACH“ soll zukünftig dort stehen – „Ist doch mal was Freundliches”, sagt Gigo und lacht. Dies ist seine Art des Portraitierens.
Portraits können im Grunde genommen alles sein: Gemälde, Fotografien, Plastiken; im übertragenen Sinn kann auch eine schriftliche Biografie als Portrait bezeichnet werden. Im Allgemeinen steht bei Portraits nicht der Abbildcharakter, im Sinne einer visuellen Ähnlichkeitsbeziehung im Vordergrund, sondern vielmehr geht es darum, die Wesenhaftigkeit der oder des Portraitierten einzufangen und zum Ausdruck zu bringen. Dieser Zugang spielt auch für Gigo Propaganda eine wichtige Rolle.
Denn: Portraitiert werden von ihm nicht ausschließlich Menschen, wie man dies gemeinhin vielleicht erwarten würde, sondern auch Gruppen, Themen, Situationen, Momente, Augenblicke – oder wie hier der Fall: Gebäude. Gigo Propagandas Portraits erfüllen dabei explizit und ganz bewusst nicht die Erwartung, immer ‚schön‘ – im Sinne ästhetischer Bewertungs- kategorien – zu sein. Vielmehr zeigen sie das, was ist. Und was war. Denn: Portraits sind Fenster der Geschichte. Jetzt! Für die Zukunft.
Über mehrere Wochen oder Monate nehmen Gigo Propaganda und Robert Sczech hierfür Aussagen und Positionen auf, sprechen mit Menschen, die in der unmittelbaren Umgebung leben und halten ihre Eindrücke fest. Vor Ort spüren sie Situa- tionen, Themen und Gefühlen nach, in engem Kontakt und stetem Dialog mit der Bevölkerung.
Kommunikation, Interaktion und Partizipation sind dabei nicht nur wesentliche Parameter und Grundvoraussetzung von Gigos Arbeitsprozess, sondern gleichzeitig auch Basis seines gesellschaftspolitischen und künstlerischen Selbstverständnis- ses. So ist es gerade sein Anspruch, die Bevölkerung vor Ort in den künstlerischen Prozess miteinzubeziehen. Bzw. viel mehr noch: Sie ‚Teil‘ sein zu lassen:
Portraits werden folglich immer gemeinsam erarbeitet, erschlossen, gestaltet und geformt. Über die Aufnahme einzelner Zitate, Aussagen und Stimmungen verleiht er dabei Menschen wie ‚dir‘ und ‚mir‘ eine Stimme. Der Prozess des Portraitierens ist partizipativ, integrativ.
Und genau in eben jener Integration liegt mitunter der soziale, gesellschaftliche und stadtpolitische Mehrwert des Projekts begründet: Vorhandene Werte, die oftmals im Verborgenen zu liegen scheinen, nicht greifbar sind und möglicherweise auch Konfliktpotenzial aufweisen, werden ans Tageslicht geholt. Sie werden festgehalten, in Malerei, Schrift, Foto und Video, und letztlich zurück nach draußen projiziert. Dahin, wo sie herkommen.
Als Spiegel des derzeitigen Ist-Zustandes des Ruhrgebietes und verdichtet zum Portrait sollen diese letztlich einen Lern- prozess in der Bevölkerung anstoßen, und gleichzeitig bzw. daran anschließend, zur Identitätsstiftung beitragen. Denn, wie bereits zuvor betont: Portraits sind Fenster der Geschichte. Jetzt, für die Zukunft.
Sofern nicht anders angegeben, sind alle Fotos selbst gemacht und unterliegen dem Copyright von ©kg. Sie dienen alleinig der wissenschaftlichen Dokumentation meines PhD-Projekts. Jegliche Art der Reproduktion oder kommerziellen Nutzung, sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, ist untersagt. Außerdem weise ich darauf hin, dass ich keinerlei Bildrechte am Motiv o. Ä., sondern lediglich am fotografischen Abbild beanspruche.