‚This Is Where I Draw The Line‘:
Die Kreativstadt, Street Art-Festivals und die Verhandlung von (L)Egalität
Wem gehört die Stadt? Nach dem Kinoerfolg des gleichnamigen Dokumentarfilms scheint diese Frage derzeit in aller – respektive Kölner – Munde. Die Kölner Filmemacherin Anna Ditges begleitet darin den über zweijährigen Bürgerbeteiligungsprozess, der letztlich den, von Investorenseite aus geplanten Bau eines flächendeckenden Shoppingcenters in Köln Ehrenfeld verhindert. Zu den Hauptakteuren zählen: SprecherInnen der Bürgerinitiative Helios, der Investor Paul Bauwens-Adenauer mit Kollegen, der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges, MitarbeiterInnen des Stadtplanungsamtes sowie die Architektin Almut Skriver
Ich nehme diese Dynamik an dieser Stelle auf und frage ebenfalls: Wem gehört die Stadt – bzw. genauer – wem gehört denn eigentlich die kreative Stadt? Der Schauplatz bleibt derselbe: Ehrenfeld. Schon längst zählt nicht mehr nur der leerstehende Leuchtturm zum Wahrzeichen des Stadtteils, vielmehr ist es die ausgeprägte Kunst- und Kulturszene, die Ehrenfeld lebendig und attraktiv macht – und bunt. Einen wesentlichen Beitrag zur Ehrenfelder ‚Buntigkeit’ leistet hierbei das Kölner Urban Art Festival „CityLeaks“, das alle zwei Jahre stattfindet. Mehr als 40 Graffiti- und Street Art-KünstlerInnen aus aller Welt besuchten das Festival 2013 und gestalteten auf diese Weise eine Vielzahl legalisierter Freiflächen, Fassaden und Wände. Auch in Ehrenfeld.
Aus grau mach bunt, also? Ja?
Oder sollte es nicht doch eher heißen, aus bunt mach bunt(er)?
Zumindest scheint dies ein Stück weit in der Heliosstraße der Fall gewesen zu sein. Das explizit orts- und situationsbezogene Paste-Ups des Kölner Street Art-Künstlers Rakaposhii (links) wich, im Zuge des „CityLeaks“-Festivals, der Fassadengestaltung der New Yorker Graffiti-Legende Cope2 (unten). Rakaposhiis Arbeit zeigte einen überdimensional proportionierten, etwas niedergeschlagen wirkenden Bud Spencer, den die Worte „Shopping Sucks“, begleiteten – ein klares Statement auf die in Ehrenfeld geplante Shopping Mall. Im Herbst 2013 jedoch sollte dieses Bild einer Neubesetzung weichen: Die großflächige Wand am Design Quartier Ehrenfeld wurde vom Graffiti-Künstler Cope2 in ein buntes, dekorativ anmutendes Ensemble mehrfarbiger Throw-Ups ver- wandelt.
Dass im Rahmen von Urban Art-Festivals Wände be- und übermalt werden ist nichts Neues. Und schon gar nichts Verwerfliches. Schließlich gelten Street Art und Graffiti allein schon aus ihrer Eigenlogik heraus als per se urbane und somit vergängliche Kunstformen. Es zählt zu ihren Wesens- merkmalen sich städtischen Dynamiken auszusetzen: Sie werden von ihren geprägt; genauso wie sie sie gleichsam mitprägen, mitgestalten und mithervorbringen. Es handelt sich folglich um ein wechselseitiges Ineinandergreifen von Kommen und Gehen.
Folglich geht es mir keinesfalls darum, jene Ereignisse in irgendeiner Weise zu bewerten; oder gar in die altbewährte Diskussion Graffiti vs. Street Art und die damit häufig konnotierte ‚Fame‘-Debatte einzusteigen. Dies ist eine Bestandsaufnahme.
Am Fallbeispiel lassen sich ganz andere Fragen entfalten. Und ich wiederhole: Wem gehört die Stadt – bzw. genauer – wem gehört denn eigentlich die kreative Stadt? Wer entscheidet, wo sie bunt ist? Wie sie bunt ist? Und was heißt ‚bunt‘ eigentlich genau? Letztlich gilt es auch hier zu hinterfragen, welche Entscheidungsprozesse bei Kunstprojekten dieser Art (wo) stattfinden und unter welchen Prämissen eine nachhaltige, wünschenswerterweise glokal ausgerichtete Stadt(entwicklung) verhandelt wird? Sollten Street- und Urban Art-Festivals, über den dekorativen Tellerrand einer zumeist wohlwollenden Aufpolierung einzelner Stadtteile hinweg, nicht zumindest versuchen städtische Eigendynamiken und ortsspezifische Thematiken aufzugreifen? Oder ist dies – in einer Zeit, in der Festival-Line-Ups mehrheitlich auf Onlinerecherche basieren und in Folge dessen sehr häufig auf den immer selben Kanon global tourender Mural-KünstlerInnen zurückgegriffen wird – überhaupt (noch) zu leisten? Selbst wenn dies (nicht) so ist, bleibt unklar, warum sich die kreative Stadt gerade im Rahmen von Festivals doch so häufig selbst an Raum beschneidet, statt Raum zu greifen – wie dies das Selbstverständnis von Graffiti und Street Art genuin vorsieht.
Vermutlich trifft man hier, im Kleinen, auf ähnliche Dynamiken, Politiken und Widersprüche, wie man sie in heutigen Städten im Allgemeinen vorfindet: Auf der einen Seite schmückt man sich mit dem vermeintlich hippen Flair urbaner (Sub)Kultur, auf der anderen Seite ist man stets darum bemüht, jegliche kreativ umgenutzte Brachfläche in ihrem Keim zu ersticken. Im Falle von Köln denke man, neben dem bereits angesprochenen Heliosgelände, an das Kölner AZ, die Kolbhalle, Odonien, das Gebäude 9, und ganz aktuell, das Gelände um Jack in the Box. Dies zeigt: Nicht nur in Berlin oder Hamburg sind kreative Freiräume als Standortfaktor, Markenkern und Lebensraum vom Verschwinden bedroht, auch in Köln ist man mit ähnlichen Thematiken konfrontiert.
Zweitens und daran anschließend zeigt dies aber auch, dass es in der Verhandlung und Kontextualisierung von Street- und Urban Art-Festivals, vor allem in Bezug auf großflächige Murals, an Diskurs fehlt. Es ist auffällig, dass selbst von ‚ExpertInnenseite‘ fast ausschließlich jedes neue Großprojekt mit den Worten „stunning new mural“ quittiert wird. Dies ist einerseits naheliegend, zeugen jene Murals sehr häufig durchaus von großem technischen Know-How und künstlerischen Fertigkeiten. Andererseits muss entgegen gehalten werden: Durch das Fehlen an kritischer Auseinandersetzung und ‚nivellierenden Bewertungskriterien‘ sowie der teils ausschließlichen fotodokumentarischen Zirkulation der Wandgemälde im Internet – als plane Abbilder ohne jegliche Kontextualisierung – wird ihnen letztlich oftmals weit mehr Wirkungskraft genommen, als die webbedingte Skalierung auf den gängige Pixelstandard ohnehin leistet.
zu deinem letzten Absatz gibts nen guten rant:
http://www.guerrillafreelancing.com/social-media-ass-slapping/
Danke!